Medien verschweigen Raum-Wunder beim „NSU“-Prozess

Was war da doch gleich mit der rechtsradikalen Mörderbande („NSU“)?

Also am Anfang (oder eigentlich am relevanten Ende?) der Berichterstattung stand ein brennendes Wohnmobil in dem zwei mutmaßliche Bankräuber lagen, die sich selbst wohl „NSU“ nannten. Unter diesem Kürzel wurden wohl auch auf einer extrem geschmacklosen (und das Copyright verletzenden) DVD unzählige kaltblütige rechtsradikale Morde geschildert …

Mittlerweile steht deren (öffentlich schweigende) Freundin und weitere mutmaßliche Helfer unter unglaublichem Medieninteresse und ausführlicher und aufklärender Beobachtung vor Gericht – oder?

Also das Gejammer und Geschrei in der Schar der Medienschaffenden war auf jeden Fall enorm. Nein, nicht so sehr wegen der Morde, die waren wohl zu lange her. Es ging um die Platzvergabe, also mehr um „ich, ich, ich“, das ignorieren sinnvoller Rechtsgrundsätze, Kollegen der Brigitte auslachen uvm. Manche zogen sogar bis vor das Verfassungsgericht, weil sie nicht auch berichten durften (und es doch sicher viel besser als die Anderen machen würden und das gleiche Recht hätten damit Geld zu verdienen) …

Dass die Nebenkläger und damit die eigentlich Leidtragenden dadurch noch mehr Leid tragen mussten, wurde ohne Einschränkung dem Gericht angelastet. Selbst Unternehmen die einen Platz bekamen jammerten noch am ersten Prozesstag, dass es „nur ein“ Platz war und sie keine Tische für ihre Arbeit gestellt bekamen und nicht noch mehr Platz sei und die Sicherheitsvorkehrungen so streng und … Die eigentlichen Taten bzw. die eigentlichen Informationen gingen mir dabei im Egozentrismus dieser Medienleute fast ein wenig unter…

Und dann kam schon am dritten(!) Prozesstag, ganz plötzlich und unerwartet, das unfassbare größte Wunder:

Plötzlich war die bereits kürzere Schlange vom zweiten Prozesstag nahezu ganz verschwunden.  Alle Zuschauer und Presseleute fanden einen Platz. (Oder waren etwa Journalist*inn*en, die um einen festen Platz gekämpft hatten, etwa gar nicht da?) Doch während vorher noch erwähnt wurde, dass ein Journalisten-Kollege von einem Zuschauerplatz aus berichten musste (wie unverschämt!), blieb es um die nun augenfällige Lösung des wochenlangen Medienaufregers („zu wenig Platz für die Medien!“) erstaunlich ruhig. Aber irgend ein Wunder musste doch passiert sein. Haben all die aufopfernden Schreibenden und Betroffenen, die extra zu Hause blieben damit Andere einen Platz finden, so bescheiden über diese Heldentat geschwiegen? Oder hatte gar Gott ein Einsehen mit all den Opfern unter den Medienschaffenden die nicht berichten durften und hat deswegen den Raum gekrümmt?

Auf jeden Fall war die Information, dass es schon am dritten Prozesstag weitere freie Plätze in dem ehemals „viel zu kleinen“ Saal gab, nur eine Randnotiz neben den schlimmen Sicherheitsbestimmungen zur Einschränkung des „freien Journalismus“.

Und Heute? Mittlerweile ist es mir gar nicht mehr gelungen herauszufinden wie viele Plätze tatsächlich genutzt werden/wurden und welche Medienvertreter überhaupt weiterhin diesen Prozess beobachten.

Freie Plätze auch für Pressevertreter in einem Raum der viel zu klein wirkt?

Kein Platz in einem zu kleinen Raum ist über Tage ein großes Thema für die Presse und ein Grund zur Klage, aber das Wunder von zu(?) viel Platz in einem eigentlich zu(?) kleinen Raum ist keine Schlagzeile wert?

Vielleicht sind die Medien gar nicht so frei und verschweigen uns gezielt ein erneutes Wunder biblischen Ausmaßes:

Die wundersame Platz Vermehrung…

[13.6.2013 ]

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verschließt die Augen vor dem Wunder von München

Der DJV begrüßt „die Entscheidung der Justizministerkonferenz [.], prüfen zu lassen, ob zukünftig Ton- und Bildübertragungen von Gerichtsverhandlungen erlaubt werden können.“ In einer Pressemitteilung mit dem Titel „Justizminister bewegen sich“ bewegt sich der DJV leider kein Stück und weigert sich weiterhin hartnäckig das Wunder der Platz-Vermehrung auch nur zu sehen (geschweige denn sich zu entschuldigen).

Aber was nützt blinden Journalisten eine Videoübertragung?

[18.6.2013]

Trotz vermehrtem Platzangebot wurde mittlerweile wohl auch noch der letzte Live-Ticker über das Gerichtsverfahren eingestellt.

[20.6.2013]

Selbst die Süddeutsche bemerkt mittlerweile, dass eine Videoübertragung vor leeren Rängen stattfinden würde und behandelt die Argumente gegen einen möglichen Schauprozess.

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